Ein Gastbeitrag von Arne Menzel
Als mich Torsten vor einiger Zeit angefragt hat, ob ich als Gast in seinem Ausdauerblog-Podcast teilnehmen möchte, war ich direkt Feuer und Flamme. Also er mir dann noch gesagt hat, dass er gerne mit mir über die Themen Verletzungen und Schmerzen beim Laufen sprechen möchte, war die Sache für mich schon geritzt. Schließlich ist das Thema ja genau das, womit ich mich täglich beschäftige.
Als Physiotherapeut hab ich mich auf das oft komplexe Thema Schmerzen und Verletzungen bei Sportlern spezialisiert und betreue Hobby- und Leistungssportler sowohl vor Ort in meiner Praxis in Wiesbaden als auch im Rahmen meiner Online-Physiotherapie.
Hoffnung in Sachen Social-Media
Etwa zum gleichen Zeitpunkt, wie die Anfrage zum Interview kam, bin ich der Ausdauerblog-Facebook-Gruppe beigetreten. Die Idee war einfach mal ein bisschen aufzuschnappen, welche Verletzungen und Beschwerden die Mitglieder haben. Und einmal live die Gruppe zu erleben, von der Torsten immer schwärmt und sie als die beste Community überhaupt beschreibt. Und beim letzten Punkt kann ich Torsten verstehen.
Allein innerhalb der ersten Tage konnte ich schon feststellen, was für ein nettes Miteinander und welche starker Support in der Gruppe herrscht. Um ehrlich zu sein, hat mir die Gruppe wieder ein bisschen Hoffnung für Social Media gegeben, da ich ansonsten viele Gruppen kenne, in denen der Umgang eher unterhalb der Raumtemperatur ist.
Aber darum soll es in diesem Blog-Post nicht gehen, sondern um das Thema Schmerzen beim Laufen. Und da in der Facebook-Gruppe immer wieder Fragen auftauchen, was man bei Schmerzen beim Laufen machen kann, will ich dir eine Anleitung geben, wie du dir selber helfen kannst und wie ich im Rahmen der Therapie mit Läufern auch immer wieder vorgehe.
Also lass uns starten!
Was tun, wenn Schmerzen beim Laufen auftreten?
Bisher bist du regelmäßig Laufen gegangen, konntest dich nach und nach steigern und immer längere Laufstrecken bewältigen und hast mit dem Laufen ein krisenfestes Hobby oder vielleicht sogar eine krisenfeste Leidenschaft gefunden und als Gewohnheit fest in deinen Alltag integriert. Und dann plötzlich passiert es.
Während oder vielleicht auch erst nach dem Laufen hast du plötzlich Schmerzen. Egal ob im Fuß, im Knie, in der Hüfte, im Rücken oder an einer anderen Stelle – plötzlich tut es weh und du weißt nicht, was du machen sollst. Vielleicht ist nur eine kurze Pause nötig, vielleicht ist aber auch etwas schlimmeres und du musst einen Arzt aufsuchen und wirst lange deiner Leidenschaft nicht mehr nachgehen können.
Wenn Schmerzen auftreten ist das Beste, was du tun kannst, erst mal ruhig zu bleiben. Schmerzen treten in unserem Leben immer mal wieder auf, ohne dass etwas Schlimmes passiert ist. Schätzungen zu Folge (und das spiegelt sich auch mit meinen Erfahrungen als Therapeut wider) sind ca. 80-90 Prozent der Schmerzen, die wir spüren, unbedenklich und stellen keine direkte Gefahr für uns und unseren Körper dar. In den meisten Fällen ist es nicht mal nötig einen Arzt aufzusuchen und eine lange Sportpause zu machen
Wann solltest du auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen?
Für mich gibt es nur 3 Szenarien, in denen es direkt notwendig ist, dass du einen Arzt aufsuchst, wenn du Schmerzen beim oder nach dem Laufen hast.
1. Du hast während dem Laufen einen klar-definierbaren Unfall erlitten, der die Schmerzen erklärt und nach dem die Schmerzen aufgetreten sind.
Beispiele hierfür können sein, dass du umgeknickt bist, vielleicht ausgerutscht oder gestolpert und in Folge dessen gestürzt bist oder jede andere Form eines starken Traumas, bei dem eine Verletzung aufgetreten ist.
Teilweise können auch Muskel-, Bänder- oder Sehnenverletzungen ohne hohe Kräfte von außen auftreten. Diese Art der Verletzungen tritt bei Läufern selten auf, aber natürlich kann es sein, dass es sich um eine solche Verletzung handelt. Dabei spürst du meist aber ein „Schnalzen“, „Knallen“ oder eine ähnliche Reaktion im Bereich des Bewegungsapparates bei Belastung, die dir einen Hinweis darauf gibt, dass etwas gezerrt oder gerissen sein könnte.
2. Nach dem Laufen – entweder direkt danach oder im Verlauf der nächsten 24-48 Stunden tritt eine Entzündung im Bereich der Schmerzen auf.
Entzündungen sind durch folgende 5 Zeichen charakterisiert:
- Rötung
- Schwellung
- Überwärmung
- Funktionsverlust/eigeschränkte Beweglichkeit/eingeschränkte Belastbarkeit
- Schmerzen
Nur in der Kombination wird im medizinischen Jargon von einer Entzündung gesprochen. Das ist wichtig, da sonst häufig bei allen möglichen Schmerzen Entzündung als Ursache angezogen wird, obwohl keine oder nur einzelne Entzündungszeichen (wie zum Beispiel Schmerzen) vorliegen. Natürlich können in so einem Fall auch entzündliche Prozesse vorliegen. Aber nur wenn die oben genannten Entzündungszeichen vorliegen, kommst du wahrscheinlich nicht drum herum dir medizinische Hilfe und medizinischen Rat zu suchen.
3. Du leidest an Vorerkrankungen, bei denen plötzlich auftretende Schmerzen bei Belastung ernsthafte medizinische Konsequenzen haben können
Es gibt einige Erkrankungen, bei denen plötzliche auftretende Schmerzen, vor allem wenn sie länger als ein paar Minuten bzw. Stunden anhalten, medizinisch abgeklärt werden sollten. Dazu gehören vor allem Osteoporose, sowie deren Vorstufen bzw. verwandte Erkrankungen, die die Belastbarkeit des knöchernen Skeletts deutlich mindern können. Auch andere Erkrankungen, die mit langer Kortison-Medikation behandelt werden, können hier relevant sein, weil Dauermedikation mit Kortison ebenso die Belastbarkeit des knöchernen Skeletts reduzieren kann und Osteoporose auslösen kann.
Dieser Punkt soll dir jetzt keine Angst machen, dass du vielleicht unter einer der genannten Erkrankungen leidest. Vielmehr soll es eine kurze Erinnerung sein, falls du unter diesen Erkrankungen leidest oder lange Zeit Kortison nehmen musstest, du bei plötzlich auftretenden Schmerzen bei körperlicher Belastung einen Arzt aufsuchen solltest. Aber in dem Fall weißt du das wahrscheinlich eh schon.
Wenn mindestens einer dieser 3 Punkte auf deine Schmerzen zutrifft, würde ich dir empfehlen medizinisch abklären zu lassen, woher die Schmerzen kommen und was du genau gegen die Schmerzen tun kannst.
Wenn keiner der 3 Punkte auf deine Schmerzen zutrifft, dann kannst du die nachfolgend beschriebenen Strategien anwenden und selber etwas gegen deine Schmerzen tun.
Aber vorher möchte ich dir noch erklären, woher deine Schmerzen wahrscheinlich kommen. Dieses Wissen ist später auch für die Selbst-Behandlung von entscheidender Bedeutung.
Woher kommen deine Schmerzen beim Joggen?
Der häufigste Grund für Schmerzen bei Läufern ist keine Verletzung, sondern ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit.
Steigerst du beispielsweise zu schnell die Belastung beim Laufen, in dem du die 10 Laufkilometern auf 20 Laufkilometer pro Woche erhöhst, ist die Belastung zu hoch für deine aktuelle Belastbarkeit. In der Folge kann es zu Überlastungen und Schmerzen im Bereich deines Bewegungsapparates, vor allem aber der Bereiche, die beim Laufen belastet werden, kommen.
Je nach Anatomie, Biomechanik, Laufstil und diverser weiterer Faktoren können so Schmerzen im Bereich deiner Fußgelenke, Kniegelenke, Hüftgelenke usw usf auftreten.
Neben einer zu hohen Belastung kann auch eine gestörte Belastbarkeit Ursache für deine Schmerzen sein. Trotz gleichbleibender Laufstrecke wöchentlich können Schmerzen auftreten, wenn deine Belastbarkeit weniger wird.
Warum Regeneration und Schlaf so wichtig sind
Ursache für eine verringerte Belastbarkeit ist meist ein Mangel an Regeneration bzw. eine zu hohe körperliche und psychische Aktivierung. Senkst du beispielsweise deine Schlafdauer von 8 Stunden pro Nacht auf 6 Stunden pro – aus welchem Grund auch immer – reduziert sich deine Regeneration und deine Belastbarkeit sinkt.
In der Folge kann dein normales Laufpensum von 10 km pro Woche plötzlich deine Belastbarkeit übersteigen und Schmerzen können entstehen.
Die beiden oben beschriebenen Szenarien sind nur eine von vielen Möglichkeiten, wie ein Missverhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit auftreten kann.
Das komplexe Zusammenspiel aus Belastung, Belastbarkeit und Regeneration lässt sich am Bild einer Regentonne erklären.
Stell dir vor deine Belastbarkeit ist eine Regentonne. Je höher deine Belastbarkeit ist, desto mehr Fassungsvermögen hat die Regentonne. Der Regen, der in die Tonne fließt sind die Belastungen, die auf dich wirken. Je mehr du belastet bist, desto voller ist die Tonne.
Der Ablauf stellt deine Regeneration dar. Immer wenn du dich erholst und ausruhst, sinkt der Wasserstand in der Tonne.
Solange die Tonne nur bis zum Rand mit Regen gefüllt ist, bist du schmerzfrei. Sobald mehr Regen ins Fass läuft, als es fassen kann und das Fass überläuft, übersteigt die Belastung deine Belastbarkeit. Die Folge sind Überlastung und Schmerzen beim Joggen..
Was Schmerz wirklich bedeutet
Schmerz ist also weniger ein Ausdruck einer akuten Verletzung in dem schmerzhaften Bereich, sondern eher ein Ausdruck darüber wie das Verhältnis zwischen Belastung und Belastbarkeit in dieser Körperregion und häufig in deinem Körper insgesamt ist.
Der Schmerz, der als Folge eines Ungleichgewichtes zwischen Belastung und Belastbarkeit auftritt, dient als Schutzmechanismus, um dich vor längerfristigen Überlastungen und daraus resultierenden Verletzungen resultieren können.
Schmerz ist eher ein Wahnsignal bzw. ein Signal deines Körpers, dass du an der aktuellen Situation und der aktuellen Belastung etwas ändern sollst. Damit sich aus dieser Belastung nicht in Zukunft eine Verletzung entwickelt.
„Schmerz tritt meist deutlich vor einer Schädigung des betroffenen Gewebes ein. Als Alarmsystem, um vor Verletzungen und Entzündungen zu schützen und dir ein Signal zu geben, dass du an der aktuellen Situation etwas ändern sollst.“
Was kannst du selber gegen deine Schmerzen beim Laufen tun?
Wenn wir Schmerz eher als Warnsignal und Signal zur Anpassung der aktuellen Belastungssituation interpretieren, ergeben sich daraus zwei Strategien, was du gegen deine Schmerzen tun kannst
1. Variiere deinen Laufstil
Eine vorübergehende Veränderung deines Laufstils kann die Belastung beim Laufen auf Muskulatur, Gelenke und dein Skelett reduzieren, wodurch deine Schmerzen reduziert werden können oder komplett verschwinden können.
In vielen Fällen ist es nicht notwendig, dass du komplett schmerzfrei läufst. Du solltest aber deinen Laufstil soweit anpassen, dass die Schmerzen nur noch leicht auftreten und weder beim Laufen noch danach mehr werden.
Um herauszufinden welches Maß an Missempfinden oder Schmerz beim Laufen zulässig ist, solltest du einerseits auf dein Gefühl hören – meist ist das eigene Körpergefühl ein guter Startpunkt – und andererseits einfach experimentieren und ausprobieren.
Hat das Laufen mit 10% Schmerzen gut geklappt und es weder beim noch nach dem Laufen waren die Schmerzen mehr, dann ist das ein guter Startpunkt. Nehmen die Schmerzen zu oder hast du das Gefühl nach dem Laufen empfindlicher im Schmerzbereich zu sein, dann solltest du beim nächsten Laufen die Variablen so anpassen, dass die Schmerzen vielleicht nur noch 5% oder vielleicht 0% sind.
Hier gibt es weder richtig noch falsch, auch mit meinen Patienten ist das meist ein ausprobieren und experimentieren.
Du kannst viele Komponenten verändern
Um die Belastung beim Laufen zu reduzieren, gibt es mehrere Möglichkeiten, den Laufstil zu variieren.
Eine reduzierte Laufgeschwindigkeit sorgt automatisch dafür, dass dein Körper weniger belastet wird, da du weniger Kraft benötigst, um Geschwindigkeit aufzubauen. Auch ein verkürzen der Schrittlänge und dadurch eine Erhöhung der Schrittfrequenz führt zu einer verringerten Belastung bei jedem Schritt, da du weniger Kraft pro Schritt aufbringen musst, um dich vom Boden abzudrücken.
Treten deine Schmerzen erst nach einer gewissen Strecke auf, kannst du entweder die Laufstrecke so kurz halten, dass du nur soweit läufst, bis die Schmerzen auftreten. Oder du läufst in Etappen.
Dabei wählst du die Strecke so, dass du beim Laufen keine Schmerzen hast. Dann legst du eine kurze Pause ein, in der du entweder langsam gehen kannst oder Dehn- bzw. Mobilisationsübungen ausführst, die du angenehm empfindest und die deine Schmerzen lindern.
Nachdem du deine Pause 5-10 Minuten aktiv gefüllt hast, läufst du eine weitere Etappe.
Mit den oben beschriebenen Variationen kannst du meist trotz Schmerzen am „Laufen“ bleiben, ohne deine Schmerzen weiter zu verstärken.
Wichtig hierbei ist, dass du dich bewusst etwas zurücknimmst und nicht versuchst an alte Bestleistungen anzuknüpfen.
2. Starte mit Krafttraining für deine(n) schmerzhaften Bereich(e)
Regelmäßiges Krafttraining ist eigentlich ein Muss für jeden Läufer, eigentlich für jeden Menschen. Nicht umsonst hat die WHO gerade in ihren Leitlinien für Bewegung und Gesundheit 2 Einheiten Krafttraining pro Woche als Mindestmaß aufgenommen.
Regelmäßiges Krafttraining verbessert die Kraft der Muskulatur, verbessert die Belastbarkeit aller Bestandteile des Bewegungsapparates (Bänder, Sehnen, Gelenkkapseln, Faszien, Knochen, Knorpel, Bandscheiben usw werden belastbarer), reduziert das Verletzungsrisiko und verbessert deine Laufökonomie (du benötigst weniger Muskelkraft beim Laufen)!
Wenn bereits Schmerzen bestehen ist gezieltes Krafttraining eine der besten Optionen, um die Belastbarkeit der betroffenen Strukturen zu verbessern.
Um in der Analogie unserer Regentonne zu sprechen: Regelmäßiges Krafttraining sorgt dafür, dass deine Regentonne größer wird und zukünftig mehr Regen (höhere Belastungen) aufnehmen kann, ohne überzulaufen.
Zweimal pro Woche Krafttraining für die schmerzhaften Bereiche und die umliegenden Gelenke – also bei Knieschmerzen Übungen für die knieumgebende Muskulatur, für die Muskulatur der Sprunggelenke und der Hüftgelenke – ist ein guter Anfang.
Wähle die Übungen so, dass sie anstrengend für dich sind, aber keine oder nur leichte Schmerzen auslösen. Genau wie beim Laufen soll der Schmerz bei und nach den Übungen auf keinen Fall mehr werden. Wird der Schmerz doch mehr, versuche beim nächsten Mal etwas Intensität aus den Übungen zu nehmen.
Wie bei jedem effektiven Krafttraining geht es auch hier darum, über die Zeit die Intensität der Übungen zu steigern, sodass du stärker in den einzelnen Übungen wirst.
Einziger Unterschied zu einem klassischen Krafttraining ist, dass häufig der Schmerz die Intensität der Übungen vorgibt und nicht nur deine Kraft der limitierende Faktor ist.
Arne Menzel ist übrigens Mitglied im Experten-Team von meinem Laufkurs „Meine ersten 10 Kilometer – mehr als nur Laufen“. Er deckt als Physiotherapeut dort den sehr wichtigen Bereich der Verletzungsprävention ab und zeigt auch viele Kraftübungen speziell für Läufer sowie den Bereich des Faszientraining.
Wenn das spannend für dich klingt, kann ich dir meinen Online-Kurs „Meine ersten 10km – mehr als nur laufen“ empfehlen. In 10 Wochen nehme ich dich gemeinsam mit meinem Expertenteam an die Hand, und werde dir Stück für Stück die Elemente eines ganzheitlichen Lauftrainings näher bringen. Interessiert? Dann schaue mal hier vorbei:
3. Gönne dir mehr Erholung
Regeneration und Erholung sind wichtige Faktoren beim Laufen. Nur wenn du ausreichend Erholungsphasen in deinem Alltag einbaust, kann dein Körper sich an dein Lauftraining anpassen und du mit der Zeit leistungsfähiger werden.
Gerade bei Schmerzen ist Erholung und Regeneration noch wichtiger. Da dein Körper oder einzelne Körperbereiche an ihre Belastungsgrenze kommen – deswegen treten die Schmerzen ja auf – ist es umso wichtiger, dass du dich ausreichend erholst. Dadurch stellst du sicher, dass dein Körper oder die betroffenen Körperbereiche nicht stetig mehr belastet werden und mit der Zeit sich wieder an die Belastung des Laufens gewöhnen können.
Neben ausreichend Schlaf, mindestens 7 Stunden pro Nacht, spielt eine ausgewogene Ernährung/Sporternährung eine entscheidende Rolle, um die Regeneration zu optimieren.
Aber auch tägliche Entspannungsmomente können deine Regeneration unterstützen. Diese Entspannungsmomente können ein Spaziergang, ein gutes Buch, deine Lieblingsmusik oder was auch immer sein, was dich begeistert und dich zur Ruhe kommen lässt.
4. Wenn nichts hilft, mach eine Pause
Es fällt mir als Physiotherapeut und begeisterter Hobbysportler selber schwer, folgende Worte jetzt zu schreiben. Auch weil ich und wahrscheinlich viele da draußen für jedes Problem eine möglichst effektive und schnelle Lösung wollen.
Doch manchmal hilft, trotz allen guten Ideen, Ansätzen und Versuchen, nichts anderes, als einfach mal eine Pause zu machen.
Pause machen heißt nicht, dass du gar nichts mehr machen sollst, sondern, wenn keine der oben genannten Strategien dir hilft, einfach mal 1-2 Wochen Pause einlegen und dann mit 50% langsam wieder anfangen.
Vielleicht kannst du in der Laufpause trotzdem Krafttraining durchführen. Vielleicht brauchst du einfach komplett eine kurze Pause.
Da gibt es kein Patentrezept, auch hier gilt ausprobieren und gucken, was für dich funktioniert!
5. Nicht nur die Belastung beim Laufen ist Regen für die Tonne
Nicht nur physische Faktoren wie beispielsweise die Laufgeschwindigkeit, die Laufstrecke, die Häufigkeit der Läufe, der Laufstil, das Schuhwerk beim Laufen, sowie andere körperliche Belastungen wie Krafttraining, körperliche Arbeit etc. stellen Belastungen für deinen Körper dar. Auch psychische und seelische Faktoren können eine Belastung sein. Zu diesen Faktoren können unter anderem Stress, Ängste, Sorgen, negative Glaubenssätze zählen, aber auch alle anderen Dinge, die dich psychisch und seelisch belasten.
Und gerade diese Faktoren sind im höchsten Maße individuell. Das was mich belastet, kann für dich ein ganz normaler Bestandteil des Lebens sein und umgekehrt!
Hier finde ich die Analogie mit der Regentonne wieder sehr passend und nutze sie auch im Gespräch mit meinen Kunden und Patienten.
So lange deine Regentonne (deine Belastbarkeit) groß genug ist und deine Regeneration (der Abfluss der Regentonne) nicht zu kurz kommst, kannst du viele Belastungen aushalten, ohne dass du Schmerzen bekommst.
Liegt ein Missverhältnis zwischen Belastung, Belastbarkeit und Regeneration vor, kann es beim Laufen zu Schmerzen kommen. Nicht weil Laufen schlecht für dich ist, sondern weil es in dem Moment die Regentonne zum Überlaufen bringt.
Laufen ist nicht immer die Ursache deiner Schmerzen
Nur weil die Schmerzen beim oder direkt nach dem Laufen auftreten, ist nicht das Laufen an sich die Ursache für die Schmerzen. Die Ursache für die Schmerzen ist, dass eben in dem Moment „alles zusammenkommt“, wie es immer so schön heißt.
Und damit lässt sich auch erklären, warum ein Trainingsplan, der über Wochen oder gar Monate gut funktioniert hat, plötzlich zu Beschwerden führt.
Vielleicht weil die Belastungen und Anstrengungen in deinem Alltag zugenommen haben – vielleicht ein neuer Job oder ein anstrengendes Projekt im Job, eine private Krise oder Zukunftsängste, die in Zeiten von Corona gar nicht ungewöhnlich sind oder andere für dich belastende Faktoren.
Oder die Regeneration in der letzten Zeit zu kurz kommt. Und meist kommt beides zusammen. Denn Herausforderungen im Beruf, Krisen im Alltag, Zukunftsängste etc. belasten uns nicht nur. Sie nehmen uns meistens so ein, dass Erholung – Schlaf und freie Momente der Entspannung – einfach zu kurz kommen. Und dadurch die Erholung eben auch zu kurz kommt!
Und Viola – die Regentonne füllt sich immer mehr und läuft plötzlich beim Laufen über.
Es gibt stets mehr als einen Faktor, der zu Schmerzen führt
Wichtig ist, dass du verstehst, dass es in den seltensten Fällen einen einzigen Faktor gibt, der für deine Schmerzen verantwortlich ist. Wie beim Bild der Regentonne sind es verschiedenste Faktoren, die deine Regentonne füllen. Und all diese Faktoren spielen eine Rolle. Je nachdem, wie sehr dich die einzelnen Faktoren belasten, spielen manche Faktoren eine größere Rolle und andere eine kleinere Rolle. Welche Rolle welcher Faktor spielt, kannst allein du entscheiden.
Und natürlich spielt es auch eine Rolle, wie gut du die Faktoren verändern kannst. Wenn dich dein Job aktuell stark belastet, du aber keine Möglichkeit hast, deinen Job so zu verändern, dass er dich weniger belastet, dann kann das ein wichtiger Faktor bei der Entstehung deiner Schmerzen sein. Für die Linderung deiner Schmerzen kann der Faktor aber möglicherweise irrelevant sein, da du ihn nicht verändern kannst.
Und was dich jetzt im ersten Moment vielleicht überfordert, weil du feststellst, dass da viele Dinge sind, die dich belasten – das ist übrigens normal und jeder meiner Patienten und ich würde sogar so weit gehen und sagen jeder von uns hat das – ist gleichzeitig auch eine große Chance.
Denn du musst, um Wasser aus deiner Regentonne zu lassen, nicht alle Belastungen loswerden, sondern einfach mit einer Belastung anfangen, die du kontrollieren kannst und versuchen diese sukzessive zu reduzieren.
Und meist reichen schon kleine Anpassungen, damit die Regentonne nicht mehr überläuft.
Mache dir deine Belastungen bewusst und suche dir einen Faktor heraus, den du gut verändern kannst.
Schreib dir am besten auf, welche Faktoren dich belasten. Suche dir anschließend den einen oder die wenigen Punkt(e) heraus, die du beeinflussen kannst und vor allem bei denen du dir vorstellen kannst, dass du die Veränderung in der aktuellen Situation gut umsetzen kannst.
6. Such dir Unterstützung
Schmerzen beim Sport können selbst mit der besten Anleitung schnell überfordern. Genau das hab ich am eigenen Leib erfahren. Eigentlich ist das Thema Schmerzen beim Sport ja genau mein Fachgebiet und doch war ich, als ich plötzlich selber in der Situation war, im Training regelmäßig Rückenschmerzen zu bekommen, total überfordert mit der Situation.
Wie heißt es so schön: Manchmal sieht man vor lauter Bäumen den Wald nicht.
Wenn es dir mit deinen Schmerzen genauso geht, kann es Sinn machen dir Unterstützung von einem Physiotherapeuten, einem Trainer, der sich auf Schmerzen spezialisiert hat oder einem Sportmediziner zu suchen.
Leider gibt es viele Physiotherapeuten, Trainer und Sportmediziner, die oberflächlich helfen können. Sie können dich auf dem Weg zum schmerzfreien Sport meist aber nur eine kleine Etappe begleiten. Aus genau dem Grund hab ich mir ja diesen Schwerpunkt gesucht, weil ein ganzheitliches Angebot da eher überschaubar war und die Konkurrenz gering war 😉
Du brauchst mehr als „nur“ Behandlung
Wichtig ist, dass du dir Unterstützung von jemandem suchst, der dich nicht einfach nur behandelt, sondern mit dir einen klaren und strukturierten Plan erarbeitet, wie du wieder in deinen Sport zurück kommst.
Verschiedenste Behandlungstechniken, wie manuelle Therapie, Osteopathie, Triggerpunkt- bzw. Faszienbehandlung etc. können alle vorübergehend Schmerzen lindern und haben gerade bei manch starkem und akutem Schmerz ihre Berechtigung.
Dich zurück zum Laufen, und das am besten ohne Schmerzen, zu bringen, schaffen diese Techniken nicht.
Dafür brauchst du einen strukturierten Plan, was du selber tun kannst, um Schritt für Schritt wieder Laufen zu können.
Je nachdem, wie stark deine Schmerzen sind, welche Ursachen deine Schmerzen haben und wie du auf eine Modifikation des Laufstils und Krafttraining ansprichst, kann dieser Plan kürzer oder länger dauern. Aber ohne einen aktiven Therapie-Ansatz – das heißt du tust selber etwas, kannst du aus meiner Erfahrung nicht erwarten, dass die Schmerzen dauerhaft besser werden.
Daher ist dieser Punkt für mich ein absolutes Muss für die Auswahl des Therapeuten, Trainer oder Sportmediziner. Kann er dir einen klaren Fahrplan aufzeigen, wie du deine Schmerzen wieder in den Griff bekommst und dich dabei begleiten, diesen Plan umzusetzen. Oder bekommst du nur Therapie-Modalitäten angeboten, bei denen du dich passiv verhältst und behandelt wirst.
Schmerzen beim Laufen – ein paar abschließende Worte
Schmerzen sind ein extrem komplexes Phänomen und meist kann dir weder der Arzt noch der Therapeut mit absoluter Sicherheit sagen, woher deine Schmerzen kommen. Einfach aus dem Grund, dass viele verschiedene Faktoren zusammen spielen und am Ende den Schmerz auslösen.
So komplex das Phänomen Schmerz auch ist, so simpel ist meist die Behandlung.
- Reduziere die Belastung beim Laufen, in dem du deinen Laufstil und deine Laufstrecke anpasst!
- Beginne regelmäßiges Krafttraining einzubauen – mindestens für die schmerzhaften Körperbereiche, am Besten für den ganzen Körper!
- Gönne dir mehr Erholung und Entspannung. Bewegung und Training ist eine Seite der Medaille. Ausreichend Erholung und Entspannung sind die andere Seite der Medaille, um Schmerzen in den Griff zu bekommen und vor allem um schmerzfrei zu bleiben!
- Mach wenn nötig eine Pause!
- Reduziere Belastungsfaktoren, damit deine Regentonne wieder etwas abfließen kann!
Der Autor
Arne Menzel ist staatlich-anerkannter Physiotherapeut und Dozent im Gesundheitswesen.
Seine Leidenschaft ist die Behandlung von Menschen mit Schmerzen, sowohl mit akuten Schmerzen nach Verletzungen als auch mit langandauernden Schmerzsyndrome. In eigener Privat-Praxis begleitet er seine Patienten aus der Schmerzfalle und hilft ihnen die Schmerzen endlich in den Griff zu bekommen. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist eine ausgiebige physiotherapeutische Untersuchung, um die Ursachen für die jeweiligen Beschwerden zu finden. Er verfolgt einen aktiven Therapie-Ansatz, bei dem er dem Patienten hilft, durch geeignete Trainingstherapie und Alltagsanpassungen die Beschwerden langfristig zu beseitigen.
Arne bietet auch die Möglichkeit der Online-Physiotherapie an. Wenn du aktuell an Beschwerden leidest und nicht weißt, was du dagegen tun kannst, melde dich einfach bei Arne. Am einfachsten unter www.arnemenzel.de oder per Social Media (Facebook oder Instagram )