Ein Gastbeitrag von Daniel Bär
„Ich habe noch nie jemanden beim Joggen lachen gesehen. Und das ist alles, was ich dazu wissen muss!”
Vor zwei Jahren habe ich unter solche Sprüche ein fettes „LIKE“ gemacht. Sport im allgemeinen fand in meinem Leben nur noch vor dem Fernseher statt.
Und Rauchen. Megacool. Alle meine Freunde taten das.
Obwohl ich als Kind fast jeden Tag auf dem Bolzplatz stand, im Sommer mit dem Fahrrad stundenlang zum angesagtesten Baggersee geradelt bin und auch in der Schule eine kleine Sportskanone war, endete diese Phase mit dem Eintritt in die Pubertät.
Der Erwerb meines Führerscheins nahm mir endgültig den Rest intrinsischer Motivation, mich selbst zu bewegen – wenn ich nicht gerade mit der Clique auf Sauftour war. Da war das Fahrrad ganz nützlich. Mit den ersten Studentenjobs kam dann das erste selbstverdiente Geld. So durfte es am dämmernden Morgen auch einmal ein Taxi sein. Das Geld, das ich in der einen Kneipe verdiente, gab ich nach Feierabend in einer anderen Kneipe wieder aus.
Und Rauchen. Megacool. Alle meine Freunde taten das. Wir quarzten uns beim Saufen fast die Lunge aus dem Hals. Wenn es kohlemäßig mal wieder enger wurde, stieg ich auf die Selbstgedrehten um. Ihr wisst schon, die, die du solange rauchst, bis du dir fasst die Fresse verbrennst, bevor du sie ausdrückst. Dabei verkokelst du dir dann noch die Pfoten, die vom Nikotin immer gelber wurden.
Mein Lieblingsspruch zu dieser Zeit: „Alkohol und Nikotin rafft die halbe Menschheit hin. Aber ohne Schnaps und Rauch stirbt die andre Hälfte auch.“ No Sports! Da hielt ich es mit Winston Churchill und unterstrich dabei meine intellektuelle Note.
Saunieren als Sport
Die Jahre gingen ins Land. Mit dem Ende des Studentenlebens wurden die nächtlichen Streifzüge weniger, doch gequalmt habe ich nach wie vor.
Sport? Wenn „In-der-Sauna-Abhängen“ und „Im-Thermalbecken-Planschen“ Sport sein soll? Ja, dann habe ich verdammt viel Sport gemacht. Wenigstens hat es mich entspannt. Und ich habe in diesen Stunden nicht geraucht. Ein Fortschritt, wie ich finde.
Laufen langweilt mich!
Nach 20 Jahren endete meine Raucherkarriere – vorläufig. In der Folgezeit habe ich mich mit meinem 9-jährigen Sohn sogar auf´s Rad geschwungen. Später habe ich mir sogar Inliner gekauft. Das gab mir das Gefühl, körperlich etwas anspruchsvoller unterwegs zu sein als mit dem Fahrrad. DAS nannte ich dann echten Sport.
Um eben nicht laufen zu müssen, was mit Sicherheit anstrengender gewesen wäre. „Laufen langweilt mich!“ Das war meine Standardantwort auf alle Kommentare von Läufern, die ihr Tun in den höchsten Tönen lobten. Ich hatte das Gefühl, um mich herum fingen alle plötzlich mit dem Laufen an und protzten mit ihrer Sportlichkeit. Diese Angeber! Diese Prolls!
Laufmotivation: Das schlechte Gewissen und die hohen Blutfette
Also gut. Wenn´s so geil ist, dann trete ich eben unserer Bürolaufgruppe bei, die sich beim Premierenlauf schnell auf drei Kollegen reduzierte.
Vorher hatte ich mir noch scheißteure Schuhe gekauft, um nicht gleich beim ersten Lauf am technischen Equipment zu scheitern.
Da liefen wir also los: Meine überaus ambitionierte, neue Kollegin, 15 Jahre jünger als ich und laufbegeistert, was ich an ihrer professionellen Ausrüstung mit Handyhaltertasche am Oberarm, schicken Laufklamotten und noch schickeren Schuhen unschwer erkennen konnte. Gefolgt von meinem noch jüngeren Kollege, leidenschaftlicher Handballer und ebenso leidenschaftlicher Esser, der sich mit dem Lauftraining nur sein Extra-Steak verdienen wollte. Schließlich ich, schlank, schon etwas älter – aber immer noch gut aussehend – mit weniger als Null Erfahrung im Laufen.
Meine Motivation? Das schlechte Gewissen und meine stark erhöhten Blutfette. Dreimal dürft Ihr raten, wer nach 500 Metern keuchend mit sich langsam vergrößerndem Abstand hinten lief. Mit einer längeren Gehpause nach knapp einem Kilometer haben wir dann insgesamt drei Kilometer geschafft. Die wenigen Male, die wir uns noch mal getroffen hatten, lief es zwar etwas besser, aber von Lauffieber keine Spur.
Wieder kippensüchtig
Stattdessen bin ich nach 10 Jahren Rauchabstinenz wieder in die Sucht geschlittert. Zug um Zug. Es war der Klassiker. Bei einer Party der erste Zug. Bei der nächsten die erste Zigarette.
Beim gemütlichen Glas Rotwein zuhause setzte sich der Weg in die Falle fort. Ehe ich mich versah, war ich schon wieder mittendrin. Was anfänglich aussah wie kontrollierter Genuss, entpuppte sich schnell als die lästige Sucht von damals.
Neuanfang: Lieber im Wald keuchen als bei meinen Außendienstkunden im 3. Stock, wenn der Aufzug mal wieder kaputt war
Im Herbst 2013 zogen wir nach fast 20 Jahren aus der norddeutschen Grenzstadt Flensburg in die sonnige Gegend am Oberrhein, in der ich groß geworden war. Auf jeden Fall viel zu warm, um zu Laufen.
Als ich drei Jahre später aus Angst vor fortschreitender koronarer Herzkrankheit erneut meine Blutwerte kontrollieren ließ, waren diese nach wie vor stark erhöht. Familiär vorbelastet und auf ärztlichen Rat hin, versuchte ich es eben doch wieder mit Laufen.
Meine scheißteuren Laufschuhe waren zwar in die Jahre gekommen, aber im Prinzip waren sie ja wie neu und hatten genug Profiltiefe, um damit einen Neuanfang zu wagen. Wir wohnen keine 200 Meter vom Wald weg. Ich kann euch sagen, die ersten Meter waren eine Qual. Aber lieber keuchte ich im Wald, als vor der Tür meiner Außendienstkunden im 3. Stockwerk, weil der Aufzug mal wieder kaputt war. Darüber bin ich nicht nur einmal tief erschrocken. Doch gequalmt habe ich immer noch.
Immerhin: Ich blieb konsequent bei meinen kleinen Laufeinheiten und setzte mir als Ziel, irgendwann im nächsten Jahrtausend drei Kilometer am Stück zu laufen. Laufphasen und Gehpausen wechselten sich ab. Manchmal war es mehr Gehen statt Laufen.
Es hat einige Einheiten gebraucht, bis ich dauerhaft eine längere Strecke am Stück laufen konnte. Und drei Kilometer können verdammt lang sein. Die kleinen Fortschritte motivierten mich aber ungemein und weckten meinen Ehrgeiz. Ich wollte nicht schneller laufen, sondern nur länger.
Diagnose beim CheckUp: Lungenemphysem
Zu meinem 50. Geburtstag spendierte mir mein Arbeitgeber einen CheckUp bei einem Sportarzt und hat mir damit den größten Gefallen getan, was meine gesundheitlichen und sportlichen Ambitionen anging – natürlich im Nachhinein betrachtet.
Anfänglich fragte ich mich, ob ich das wirklich alles so genau wissen wollte. Aber gut. Im Ergebnis standen nach wie vor die schlechten Blutwerte, denen ich unmöglich durch das Laufen allein entkommen konnte. Über kurz oder lang würde ich medikamentöse Unterstützung brauchen.
Meine Angst vor der einsetzenden Verkalkung meiner Herzkranzgefäße war trotz familiärer Vorbelastung allerdings unbegründet. Das ergab das Belastungs-EKG. Der Lungenfunktionstest hingegen führte mir erstmals plastisch die Folgen des Rauchens vor Augen. Zwar nur minimal, aber immerhin nachweislich wurde festgestellt, dass sich das Volumen der Lunge (wahrscheinlich) durch den jahrelangen Tabakkonsum verringert hat. Jedenfalls stand es so im Arztbericht.
Die ersten Anzeichen eines Lungenemphysems wurden sichtbar und spürbar. Zum besseren Verständnis: Das Lungenemphysem ist eine Lungenerkrankung, bei der die Lungenbläschen am äußersten Ende der Bronchiolen irreversibel erweitert und zerstört werden. Aus den kleinen Lungenbläschen werden große Blasen, in denen sich die Atemluft staut. Es kommt zur Atemnot, obgleich die Lunge randvoll mit Luft gefüllt ist.
Zwei Tage später habe ich meine letzte Zigarette geraucht. Das war zu Beginn des Jahres 2017, drei Jahre nach meinem Rückfall in die Tabaksucht.
Meinen Blutfetten werde ich nicht davonlaufen
Aus anfänglich drei quälenden Kilometern sind seit gestern 21.1 km geworden. Die waren zum Ende hin zwar auch ein wenig quälend, immerhin fühle ich mich jetzt nach 6 bis 7 Kilometer einigermaßen eingelaufen. 😉
Vor einem Jahr war die Vorstellung, eine derartige Strecke im Dauerlauf zurückzulegen mehr als utopisch. Das Laufen ist ein bisschen meine Ersatzsucht geworden. Mindestens zwei Mal die Woche schnüre ich jetzt meine Schuhe. Freiwillig.
Vor meinen hohen Blutfetten werde ich nicht davonlaufen können. Trotzdem steht für mich der gesundheitliche Aspekt im Vordergrund. Die sportlichen Ambitionen kamen erst mit der Zeit. Ihr werdet es selbst merken, wenn Ihr am Ende Eurer üblichen Strecke spürt, dass da noch Luft für Mehr ist. Ihr seid dann fast ein wenig traurig, dass ihr schon wieder zuhause seid.
Dann setzte ihr euch neue Ziele und freut euch, wenn ihr wieder los könnt. Das ist der Zeitpunkt, an dem die körpereigenen Drogen im Gehirn andocken. Ich bin gestern erstmals die Halbmarathon-Distanz gelaufen. Das war ein geiles Gefühl. Es liegt noch viel Wegstrecke vor mir.
Jetzt träume ich vom ganz großen Coup: 2019 will ich in Berlin Marathon laufen. Macht Ihr mit? Wir Läufer sind doch alle ein bisschen gaga, oder?
Über den Autor:
Mein Name ist Daniel Bär. Im vergangenen Jahr bin ich 50 geworden, was in mir eine kleine Zäsur auslöste. Seit April 2017 blogge ich auf lifestyle50plus.blog zu verschiedenen Themen.
Zunächst war gar nicht klar, wohin die die Reise auf meinem Blog inhaltlich gehen sollte. Mit meiner wachsenden Leidenschaft für´s Laufen, macht dieses Thema mittlerweile einen großen Teil meins Blogs aus. Mein online gestelltes Lauftagebuch ist Antrieb und Verpflichtung zugleich, am Ball zu bleiben.
Hauptberuflich arbeite ich als Credit Controller im Risikomanagemt und betreue gewerbliche Kunden im Innen- und Aussendienst. Das Schreiben ist – natürlich neben dem Laufen – mein kreativer Ausgleich zum zahlenlastigen Alltag.
Ich möchte mich bei Torsten ganz herzlich dafür bedanken, dass er mir als Normalo-Freizeit-Ausgleichsläufer die Gelegenheit für diesen Gastbeitrag gegeben hat. Ich wünsche ihm mit seinem professionell aufbereitetem Blog weiterhin viel Erfolg.
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Hi Torsten,
immer wieder gerne schaue ich hier vorbei und lese Deine Artikel. Ich denke Du triffst hier auch sehr gut Deine Zielgruppe.
Viele Grüße
Jahn
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