Ein Gastbeitrag von Mario Zozin
Als Filmemacher sucht man immer nach neuen Geschichten. Doch bei meinem ersten Marathon kam es genau umgekehrt. Bei Kilometer 32 kam die Geschichte zu mir – in Form eines brachialen Mannes, der mich mit allen Mitteln zum Aufgeben zwingen wollte.
Jeder Marathonläufer fürchtet ihn. Üblicherweise wartet er zwischen Kilometer 30 und 35. Dann schlägt er zu. Immer wieder und wieder. Beine werden plötzlich schwer wie Blei. Es setzen Krämpfe oder auch Seitenstechen ein, gefolgt von dem Gefühl totaler Erschöpfung.
Die Rede ist vom sog. „Mann mit dem Hammer“, der den plötzlichen Leistungseinbruch infolge eines Kohlenhydratmangels beschreibt. Denn nun holt sich der Körper die benötigte Energie nur noch über die Verbrennung von gespeicherten Fettzellen – und das kostet viel Sauerstoff und Energie.
Unter uns Läufern ist der Mann mit dem Hammer ein bekannter Mythos, aber vor meinem ersten Marathon hatte ich lediglich mal von ihm gehört und entsprechend nicht mehr als eine vage Vorstellung von ihm. Doch dann kam der 1. Oktober 2017 – der Tag meines Marathon-Debüts in Köln. Perfektes Wetter, die Beine frisch und ausgeruht und auch das Selbstbewusstsein groß aufgrund einer disziplinierten Vorbereitung. Und so lief es sich wunderbar an und ich genoss den Marathon in vollen Zügen bis eben zu jenem Kilometer 32. Hier spürte nun eine erste Müdigkeit in den Beinen, die langsam durch meine Muskeln kroch. Ich ahnte zwar, dass es von nun an härter wird, aber ich wusste nicht, dass dies die erste Ankündigung des Hammermanns war.
„Je weiter du läufst, desto schneller werde ich da sein. Und wenn wir uns dann begegnen, wird dein Weg aus Schmerzen gepflastert sein„
(Zitat aus „The Man with the Hammer“)
Bei Kilometer 36 schlug der Hammermann dann zum ersten Mal richtig zu. Aus muskulärer Müdigkeit wurde ein ganzkörperliches Gefühl des Unwohlseins. Dazu immer wieder schmerzvolle Hammerschläge auf Muskeln und Gelenke. Jedoch noch sehr vereinzelt und so gab es nur ein Motto: Durchhalten! Ein Mantra – so wie der Läufer in meinem Film – hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Leider, denn mittlerweile weiß ich, dass wiederkehrende Worte wie eine Rüstung im Kampf mit dem Hammermann sein können. Schon zwei Worte reichen, um ein positives Mindset und einen Laufrhythmus zu entwickeln.
„Du hast keine Idee wie sehr ich Dir weh tun werde, kleiner Mann“
(Zitat aus „The Man with the Hammer“)
Bei Kilometer 38 erreichte die Auseinandersetzung mit dem Hammermann dann seinen absoluten Höhepunkt – und ich damit meinen körperlichen und mentalen Tiefpunkt. Jeder Schritt war eine einzige Überwindung. Die Gelenke schmerzten. Die Beine schwer wie Blei, aber wenigstens spürte ich sie noch im Gegensatz zu meinen Armen. Diese hatte ich zwei Stunden lang nicht ausgeschüttelt und so waren sie völlig taub. Jackpot! Auch die Stimmen im Kopf wurde immer lauter: Schaffe ich das? Was soll das überhaupt? Und wieso tust du dir das an? Die Zweifel waren ebenso stark wie die Versuchung hier und jetzt einfach anzuhalten und sich hinzusetzen. Das einzige, was mich in diesem Moment noch am Laufen hielt, war mein langersehnter Traum vom Marathon-Finish.
Ein paar Hundert Meter später passierte dann etwas, das ich bis heute rational nicht erklären kann. Alles um mich herum nahm ich plötzlich nur noch verzerrt und unscharf wahr – wie in Trance. Konturen von Menschen und Gebäuden wurden unscharf. Alltagsgeräusche wurden zu dumpfen Klängen.
„Alles was ich sah, waren die nächsten 3 Meter vor meinen Füßen. Die Laufmaschine hat mich ins Ziel gebracht, nicht der denkende, fühlende Mensch.“
So hat der berühmte Schriftsteller Haruki Murakami seinen eigenen Zustand während eines Marathon-Rennens beschrieben – in seinem wirklich sehr empfehlenswerten Buch „Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede“. Und genau diese Beschreibung kommt auch meiner eigenen Erinnerung sehr nahe, denn auf den letzten 1,5 Kilometer habe ich fast nur noch mein stetiges Ein- und Ausatmen wahrgenommen. Ein wahrhaft metaphysischer Zustand, den ich unbedingt im späteren Film vermitteln wollte.
Erst beim Zieleinlauf wurde ich wieder so richtig Mensch, sodass ich meinen Traum vom Marathon-Finish in vollen Zügen feiern könnte. Neben dem schwer-zu-beschreibenden Glück, wann immer ich an den 1. Oktober 2017 zurückdenke, so war dieser Tag auch die Geburtsstunde meines Filmprojekts „The Man with the Hammer“. Nach diesem Erlebnis gab es für mich kein zurück mehr: Ich muss einen Film über diesen Hammermann machen!
Von der Idee bis zum fertigen Film
So ein Film ist nicht eben mal gemacht: Der Vorbereitungsprozess bis zum Dreh dauerte zwei Jahre. Nach vielen Hochs und Tiefs im Laufe dieser langen Vorbereitungszeit war ich unendlich froh, als wir 2018 mit den Dreharbeiten beginnen konnten. Anschließend folgte eine zwölfmonatige Auswertung des Kurzfilms auf internationalen Filmfestivals, wo er auch einige Preise und Auszeichnungen erhielt.
Jetzt online! Mein Film über den Hammermann
Der Film zeigt wie ich meine Erfahrungen als Läufer und meine Handschrift als Filmemacher miteinander kombiniert habe, um meine Vision des Hammermanns auf die Leinwand zu bringen. Vom Marathon in 2017 bis hierhin war es ein langer Weg, aber es macht mich unheimlich glücklich, dass ich den Film nun mit euch teilen kann, denn am Ende richtet er sich vor allem an all jene, die einen Bezug zum Laufen und den Kampf gegen den inneren Schweinehund haben. Kurzum: Menschen wie du und ich! Hier ist der Film:
Der Autor
Seit über zehn Jahren arbeitet Mario Zozin (40) als freier Regisseur für Werbung & TV. Zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern lebt er in Kerpen bei Köln.
Über Nacht, und mit damals 15kg mehr auf den Rippen, hat Mario im Jahr 2014 mit dem Laufen angefangen. Stolz wie Bolle war er, nachdem er noch im selben Jahr eine Stunde am Stück laufen konnte. Es folgten kleine 10km-Rennen und Halbmarathons.
Drei Jahre später (2017) erfüllte er sich mit dem Finish beim Köln Marathon einen langersehnten Traum. Anschließend entdeckte Mario den Triathlon-Sport für sich und sein angeborener Ehrgeiz erlaubte ihm auch hier eine stetige Weiterentwicklung.
Aktuell befindet er sich in Vorbereitung zu seinem Langdistanz-Debüt beim Challenge Roth Triathlon. Die Träumerei geht weiter…
Hier der Kurzfilm „The Man with the Hammer:
Hier der Link: https://www.youtube.com/watch?v=0-Y72jI-td0
Website: www.mariozozin.com
Facebook: @TheManWithTheHammerFilm
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