Ein Gastbeitrag von Felix Gertz
Hast Du Dich auch schon mal sagen hören: „Nach dem Laufen brauche ich immer erst einmal ein paar Tage Pause. Wie schaffen es andere nur 4 Tage die Woche laufen zu gehen? Das würde mich auf Dauer umbringen.“
Wenn ja, dann bist Du in guter Gesellschaft. Viele noch nicht so erfahrenen Läufer und Läuferinnen trainieren ausschließlich in einem mittleren moderaten Intensitätsbereich. Frei nach dem Motto: „Man muss ja schließlich was spüren. Außerdem laufen die Anderen doch auch alle so schnell.“
Laufen im Vermeidungsbereich ist problematisch
Das Problem, wer ausschließlich im moderaten Bereich läuft, trainiert zu hart, um eine vernünftige Grundlagenausdauer aufbauen zu können. Auf der anderen Seite zu langsam, um hohe Intensitätsbereiche anzusprechen, die z.B. die Sauerstoffkapazität oder eine Laktattoleranz erhöhen.
Man spricht bei dem mittleren moderaten Intensitätsbereich auch von einem Vermeidungsbereich, der langfristig keinen positiven Trainingseffekt hervorbringt, Dich dafür aber langsam erschöpfen lässt, so dass Du Deine nächsten Trainingseinheiten nicht mehr ausreichend erholt ausführen kannst.
Ständige Erschöpfung steht aber einer regelmäßigen und progressiven Trainingsplanung im Wege.
Die Faustregel
Als Faustregel kannst Du Dir merken: Mindestens 80% der wöchentlichen Trainingsdauer sollten im niedrig intensiven Bereich stattfinden. Wenn Du gerade erst mit dem Laufen angefangen hast, kann es sein, dass Du dabei längere Strecken gehend zurücklegen musst.
Beherzigst Du dies, kannst Du stolz sein und Dir dabei aber sagen: „Ich kann in einem Monat immer noch mit Freude joggen, während die Anderen zu schnell gelaufen sind und den Spaß verloren haben.“
Langes Laufen erhöht die Ausdauer
Laufen ist ein Ausdauersport. Letztendlich geht es darum, mit Spaß und Ausdauer, regelmäßig und gesund laufen zu können. Um so schöner, wenn man problemlos lang und weit laufen kann. Dies funktioniert aber nur, wenn Du Dein Training zum Großteil im niedrigen Intensitätsbereich absolvierst, sonst landest Du früher oder später in der Lustlosigkeit oder im Extremfall im sportlichen Burnout.
Feinschliff
Die restlichen 20% der wöchentlichen Trainingsdauer können dann im moderaten und hoch intensiven Bereichen stattfinden, um z.B. Geschwindigkeit zur Ausdauer hinzuzufügen oder die Laktattoleranz zu erhöhen.
Man spricht bei dieser Intensitätsverteilung auch von der 80/20-Methode, um die Wichtigkeit der 80 Prozent zu verdeutlichen.
Wie die 20% absolviert werden, hängt von der verfolgten Trainingslehre ab und bietet sehr viel Spielraum und unzählige Varianten, die ein ambitioniertes Ausdauertraining auch niemals langweilig werden lassen.
Torsten hat übrigens zur 80/20-Methode einen wunderbar verständlichen Artikel geschrieben, den Du lesen solltest: Wenn du schneller werden willst, musst du langsam laufen
Weltklasseläufer trainieren nach der 80/20-Methode
Es ist schon länger kein Geheimnis mehr, dass nahezu alle Weltklasseläufer nach einer 80/20-Intensitätsverteilung trainieren.
Bei Spitzensportlern ist der niedrige Intensitätsbereich in beeindruckender Weise immer noch sehr schnell, da diese eine außergewöhnliche Fitness besitzen. Ebenfalls kommen die meisten Triathleten auf dieses Verhältnis, wenn man die Gesamtdauer des Laufens, Fahrradfahrens und Schwimmens zusammen nimmt.
Die 80/20-Methode ist dabei nicht zu verwechseln mit dem 80/20-Prinzip (auch Paretoprinzip) aus der Statistik.
Intensität beim Laufen messen und feststellen
Die Intensität eines Laufes lässt sich durch verschiedene Methoden feststellen.
Intensität nach Geschwindigkeit
Profis und erfahrene Läufer wissen meistens bereits anhand ihrer Geschwindigkeit, in welchen Intensitätsbereichen sie sich aufgehalten haben. Hier kannst du deine Laufgeschwindigkeit berechnen und in Pace umwandeln.
Intensität nach Herzfrequenz
Die gebräuchlichste Art ist allerdings die Messung der Herzfrequenz.
Die Höhe der Herzfrequenz kann dann in verschiedene Zonen eingeteilt werden, auch Abschnittsweise im Verlauf der Aktivität.
Der Intensitätsbereich ergibt sich dann aus dem Verhältnis der gemessenen Herzfrequenz zu Deiner maximalen Herzfrequenz.
Intensität nach Wattleistung
Die Messung der Leistung ist eine weitere Methode zur Feststellung der Laufintensität und bietet den Vorteil einer unmittelbaren Rückmeldung, wenn die Wattleistung auf der Sportuhr angezeigt wird. Dafür wird z.B. ein kleines Leistungsmessgerät am Schuh befestigt.
Intensitätseinteilung
Grundsätzlich kannst Du ein Ausdauertraining in 3 Intensitätsstufen einteilen – niedrig, moderat und hoch.
Dabei können mehrere Intensitäten gleichzeitig in einem Training vorkommen.
Beispielsweise hat ein Intervalltraining in den Geh- oder Trabphasen eine niedrige Intensität und in den schnellen Abschnitten eine hohe Intensität.
Niedrige Intensität (bis 72% der maximalen Herzfrequenz)
Niedrige Intensitäten können sein:
- Wirklich entspannte und leichte Läufe
- Langsame und lange Fettverbrennungsläufe
- Schnelles Gehen und langes Wandern
Moderate Intensität (73% – 82% der maximalen Herzfrequenz)
Moderate Intensitäten können sein:
- Ein individuell zügiges Tempo
- Dein Marathontempo und auch gerade noch das Halbmarathontempo
- Am oberen Ende, das Kratzen am Laktatschwellwert
Hohe Intensität (Ab 83% der maximalen Herzfrequenz)
Hohe Intensitäten können sein:
- Längere Läufe am Laktatschwellwert
- Die intensiven Abschnitte des Intervalltrainings
- Ein 10km-Wettkampf
Trainierst Du im entspannten Bereich?
So, und jetzt kannst Du mal schauen, ob Du 80% Deines Trainings wirklich mit weniger als 73% Deiner maximalen Herzfrequenz ausführst.
Mit großer Wahrscheinlichkeit liegst Du zwischen 75% und 80%, also genau im mittleren moderaten Bereich, den man eigentlich vermeiden sollte.
Dies beantwortet dann auch die initiale Frage, wie manche es schaffen eine regelmäßige 4- oder 5-Tage-Trainingswoche mit Freude zu gestalten und andere daran scheitern.
Die Dauer zählt, nicht die Distanz
Die Intensitätsverteilung und Intensitätskontrolle in der Trainingsplanung ist ausschlaggebend für ein regelmäßiges und nachhaltiges Training.
Von Bedeutung ist dabei die Dauer und nicht die Distanz. Die Geschwindigkeit ist zur Bedeutungslosigkeit relativiert.
Genieße den Augenblick beim Laufen und vergesse die ganzen Läufer und Läuferinnen um Dich herum, die aus einem falschen Ehrgeiz regelmäßig viel zu schnell laufen.
Zur Intensitätskontrolle kann eine Trainingssoftware hilfreich sein
Bei der wöchentlichen oder auch monatlichen Zusammenfassung Deiner Intensitätsverteilung, ist es hilfreich, eine Software zur Trainingsplanung und Analyse zu verwenden, die für Dich die Intensitäten Deiner Trainings aufsummiert und übersichtlich darstellt.
Wenn Du noch etwas tiefer in das Thema einsteigen möchtest, dann sei Dir mein weiterführender Artikel empfohlen: Wie die Zonenverteilung den Aufwand einer Aktivität beeinflusst. Die Zonenverteilung basiert auf den 3 Intensitätsstufen, bietet aber eine noch feinere Einteilung. Dies ist bei einer detaillierten Analyse Deines Laufes hilfreich und ermöglicht eine sehr genaue Trainingssteuerung.
Felix ist langjähriger Läufer und beschäftigt sich erfolgreich mit dem verletzungsfreien Training für sehr lange Strecken.
Er ist Hauptentwickler der herstellerunabhängigen Plattform für die Trainingsplanung und Analyse im Ausdauersport, Tredict.
Website: https://www.tredict.de
Instagram: @tredict
Der Artikel hat mich sehr angesprochen, da ich zu den ♀️ gehöre die viel zu schnell unterwegs sind. Ohne wirklich besser und erfolgreicher zu sein. Quasi von “ vorne “ anfange. Trotzdem werde ich mich befleißigen langsam und im ga1 Bereich zu laufen. Vielen Dank dafür.
Ein sehr interessantes Artikel. Laufe selber mehrere Jahre her. Von einige Tipps wusste ich. Auf die andere Seite es gibt auch Punkte über die ich Null Ahnung hatte. Und genau dafür danke ich dir. Ich werde sie sicherlich in Zukunft verwenden